Selten, dass ein Buch mich gleichermaßen gefesselt wie abgestoßen hat. Grundsätzlich geneigt, die Lebenszeit des Autoren beim Verfassen eines Buches hoch anzurechnen, stoßen mich eigentlich nur die Bücher ab, die lieblos und billig gemacht sind. Oder zumindest die Liebe und das Wertvolle nicht für mich erkennbar machen.
Bei Babel ist es anders. Es fühlt sich für mich verschwenderisch an, es geht durch mich durch, ohne dass es begeistert, gleichwohl es eine so hohe Dichte an Wissen besitzt.
Aus der Perspektive Dr. Koldeweys, der im Auftrag der orientalischen Gesellschaft und mit Rückenwind durch Kaiser Wilhelm II. Babylon ausgräbt, entfächert Cusanit ein Meer an Betrachtungen, Begebenheiten, Details, Reflexionen und historische Einordnungen, dass einem ähnlich schwindelig zu werden droht wie Dr. Koldewey selbst. Er liegt mit einer Blinddarmreizung nieder und ist Ausgangspunkt all der Anekdoten und Erzählungen, die nur durch knappe Übergänge voneinander abgegrenzt, dargelegt werden. Er wälzt ein medizinisches Lexikon zum Thema, blickt auf die Ausgrabungen, schikaniert seinen Assistenten, wühlt missmutig in der Korrespondenz. Und in einer Art inneren Monolog, der von gelegentlichen Gesprächen mit Mitarbeitern, die an sein Krankenlager treten, unterbrochen werden, rollt der Text auf den Leser zu. Unangenehm sind in dieser Flut die wenigen Absätze, langen Sätze, Themensprünge. Genau weiß man nicht, warum ein Kapitel endet und ein neues beginnt. Die Wechsel wirken, als hätte beim Interview der Kameramann die Filmrolle oder das Akku wechseln müssen, während der Erzähler weiter berichtet. Und da der Erzählrahmen, der, wenn nicht gerade von Pessimismus, so doch von Übellaunigkeit gezeichnet ist – denn in der Hitze des Ausgrabungsorts und in Ungewissheit über ärztliche Hilfe, ist der Erzählstil konsequent – bleibt der Text pointenlos.
Hinzu kommt die seltsame Zweidimensionalität der Figuren selbst. Über Koldewey erfährt man nur, dass er sehr ungeduldig ist und Personalführung, wie man es heute anstrebt, nicht kennt. Die Herabsetzung seiner Mitarbeiter schmerzt. Diese werden dann aus dem einzigen Blickwinkel des Buches, Koldewey selbst, reduziert auf ihre Unfähigkeit. Sympathien bringt das dem Protagonisten nicht, aber dazu muss dann ein Buch auch nicht dienen. Nur hätten wohl aus meiner Sicht die mit den Ausgrabungen verbundenen Gefühle der Freude beim Fund, der Euphorie im Kontrast der langfristigen Geduld, die Erhabenheit, die der Turm zu Babel auslösen müsste, mehr Authentizität vermittelt. Ich habe eher den Eindruck gehabt, einem Grabungsbericht zu lauschen, der durchwirkt von Betrachtungen über technische Neuentwicklungen in der Fotografie oder der Architektur Berlins in der Vorkriegszeit, erschöpft vorgebracht wird. Allerdings sind diese einzelnen Momente wiederum ungemein genau und spannend, die Bedeutung des Films und der Fotographie nachgerade philosophisch. Aber ich glaube, bei Gräber Götter und Gelehrte habe mich seinerzeit mehr amüsiert.