Der Debatte ums Gendern und political correctness kann man sich kaum entziehen. Insbesondere nicht als Autor eigener Texte. Es sei vorausgeschickt, dass ich das Ziel, die Gesellschaft von diskriminierenden Strukturen, Rassismus und chauvinistischen Positionen, Geschichtsschönfärberei sowie sprachliche Täuschung zu befreien für richtungsweisend und moralisch notwendig empfinde. Mir ist, dass der Diskurs ums Gendern aber eine Methode beschreitet, die in eine Sackgasse führt.
Schon Kant befasste sich mit dem Text „Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange“ mit dem Problem der Erziehung, Ziele und Methoden gleichzusetzen. Ein großes Problem, unter dem die Politik der 68-er-Generation schon litt. Simpel ausgedrückt: Kann man zur Freiheit nur erziehen, wenn man zu Erziehende vor Zwängen schützt? Ich meine nicht.
Eine solche Verwechslung von Zielen und Methoden liegt m.E. auch bei in der Gender-Debatte vor. Abgesehen davon, dass ich daran zweifle, dass die Sprache das Bewusstsein prägt und meine, es verhält sich genau umgekehrt (Sprache drück aus, was in der Haltung eines Menschen verwurzelt ist), gehe ich von Folgendem aus: Menschen mit einer rassistischen, chauvinistischen oder nationalistischen Position verändere ich nicht durch das Verbot, diese Haltung sprachlich auszudrücken.
Ich glaube auch, dass eine Generation wie meine mit einer Sprache großgeworden ist, die in der Analyse Chiffren der oben genannten Haltungen transportiert, sie aber nicht diese Bedeutung für sie haben.
Wenn ich bei Pippi Langstrumpf von einem „N*-König“ im Taka-Tuka-Land lese, müsste man doch erst einmal begründen, warum diese Begriffswahl für mich eine Überlegenheit der Kultur bedeuten soll, in der ich beheimatet bin. Gerade als Kind habe ich das nie so empfunden und keineswegs geglaubt, dass meine ostfriesische Heimat eine kulturelle oder wirtschaftliche höhere Ordnung gegenüber einem fiktiven Taka-Tuka-Land repräsentiert – und damit ich auch. Ich habe über das lustige Wort gelacht.
Gerade lese ich die neue Schmuckausgabe von Arthur Canon-Doyles Sherlock-Holmes-Publikationen, die einen interessanten Weg einschlägt und zugleich meine Kritik vermitteln hilft. In „Studie in Scharlachrot“, dem ersten Roman der Serie, gibt es einen weitreichenden Exkurs in die USA der Mitte des 19. Jahrhunderts und die Besiedlungszeit des Kontinents. Kommt man auf den Begriff „Indianer“, wird mit einer Endnote erklärt, dass dieser Begriff aus verschiedenen Gründen chauvinistisch-kolonialisitisch benutzt wird. Darin finde ich mich schon nicht wieder, kann es aber als Rahmung solcher Texte im Sinne kritischer Ausgaben akzeptieren. Stutzig werde ich, wenn von einem Überfall von „Wilden“ gesprochen wird, der unkommentiert bleibt. Noch weniger nachvollziehbar ist eine Darstellung von weißen Siedlern, die durch Canon-Doyle derart auf ein Weltbild der Überlegenheit weißer Siedler verweist, dass ich mir dringend eine Kommentierung gewünscht hätte. Es ging in dem Beispiel um Mormonen auf ihren Weg nach Utah.
Warum also wird ein in den Alltag meiner Generation verankerter Begriff wie „Indianer“ als problematisch angesehen, während die oben aufgeführten Entgleisungen der Beschreibung menschlicher Gruppen kein Problem darstellen sollen?
Ich glaube, das moralische Koordinaten-System zu diesem Thema ist noch nicht mit genügend Achsen ausgestattet. Vielleicht sollte man nicht nur die Wertmaßstäbe wohlmeinender Gruppen als Referenz nehmen, eine Begriffswahl kritisch zu beleuchten. Es zählt doch eigentlich auch der Kontext, in dem der Autor diesen Begriff wählt, also seine Intention. Man könnte bei Karl-May zum Beispiel annehmen, dass er den Begriff des Indianers in einem positiven Kontext setzen wollte. Andererseits sollte man akzeptieren, dass von Generation zu Generation Begriffe Akzeptanz und Verwendungen haben, die differenzierter sind als eine zentralistisch ausgedeutete Wortverwendung annimmt.
Im alltäglichen Dialog merke ich, wie schnell ich an sprachliche Innovation gerate und mich – der ich mich alles andere als einen Rassisten oder Nationalisten verstehe – im Verdacht einer von mir selbst jahrelang bekämpften politischen Position sehe. Das ist frustrierend und verleidet die Lust am Dialog.
Meine Bücher werde ich daher in einem bestimmten Bewusstsein nicht gendern oder von Unworten befreien: Ihre Sprache steht für eine linguistische Biographie, die nicht, wie der Diskurs ums Gendern und um political correctness nahelegt, die gesellschaftskulturelle oder politische Haltung widerspiegelt, sondern das Leben vor diesem Diskurs, das ja auch Demokraten hervorgebracht hat. Schlimm genug, dass wir die Rechtschreibreform nicht verhindern konnten, die meinen sprachlichen Ausdruck immer noch durcheinander bringt.
Vlamma T3 – Neuordnung
- Vlamma T3 Band 1: Jurij Potrenko (Erstausgabe 2014, überarbeitete Fassung 2021)
- Vlamma T3 Band 2: Das Hotel Blu (Erstausgabe 2015, überarbeitete und um „Pfeifenbergers Abenteuer“ ergänzte Ausgabe 2021)
- Vlamma T3 Band 3: Watanabes Tod (2021
- Vlamma T3 Band 4: Sonntag das Rennen (2021)
Pfeifenbergers Abenteuer ist zur Zeit nicht als Sonderausgabe erhältlich.
Überarbeitung der bisherigen Bände von Vlamma
Um die finale Edition von Vlamma T3 zu veröffentlichen, überarbeite ich gerade alle Bände aus der Serie. Es wird wahrscheinlich eine Neuordnung der Texte in den Büchern geben, so dass in 4 etwa gleich umfangreichen Ausgaben die gesamte Geschichte erzählt wird. Der Sonderband „Pfeifenbergers Abenteuer“ wird Teil von „Hotel Blu“ und das 840-seitige finale Buch aufgeteilt in zwei Bände. Ich gebe zu, die Planung war anders, aber es ist schön, von seinem eigenen Stoff, die Figuren und der Dynamik der Handlung so überrascht zu werden. Näheres an dieser Stelle in den kommenden Wochen.
Vlamma T3 – Das Finale
Endlich ist es geschafft. Nachdem 2015 der erste Band von Vlamma T3 herausgekommen ist (Jurij Potrenko) und 2016 der zweite Band (Das Hotel Blu) ist jetzt der letzte Band fertig. Da der finale Band voluminöser ausgefallen ist, wird über eine Neuorganisation der gesamten Serie nachgedacht. Noch in diesem Jahr sollte der gesamte Text als Buch und E-Book vorliegen. An dieser Stelle dazu mehr!
Der Zauber der Fiktion – Eine Liebeserklärung
Ein Textbeitrag auf Deutschlandfunk Kultur
von Andreas Schäfer
Nobelpreis Literatur 2020: Zur Arithmetik der Nobelpreisträger
https://www.deutschlandfunk.de/kritik-an-literaturnobelpreis-es-sieht-mau-aus-was-andere.691.de.html?dram%3Aarticle_id=485545
Lesung mit Musik in Köhlen
Martin Bosch und ich werden am 16.11.19 in Köhlen die Italienlesung aus der Romantrilogie „Vlamma T3“, Band 2: „Das Hotel Blu“ bringen. Nach langer Suche nach der richtigen Musik zum Text ein Gesamtpaket. Premiere!
Ausverkauft
„Das Haus des Architekten“ ist bei Bäckerei Campe in Sandstedt ausverkauft. Die Neubeschaffung dauert immer ca. 10 Tage, so dass ich ab dem 18.09. mit neuen Bänden rechne. Alldieweil wird die E-Book-Version zur Erinnerung an meinen 20. Geburtstag ab dem 11.09. für eine Woche zum verminderten Preis bei Epubli zu beziehen sein.
Premiere für „Das Haus des Architekten“
Bei der offenen Bühne des Vorlesefiebers in Hagen im Bremischen am 06.09.19 hatte ich – mit einem Jahr Verzögerung – das erste Mal Gelegenheit, einen Textauszug aus „Das Haus des Architekten“ zu lesen. Die Resonanz hat mich wirklich gefreut.
Kenah Cusanit: Babel Hanser 2019 (4. Auflage)
Selten, dass ein Buch mich gleichermaßen gefesselt wie abgestoßen hat. Grundsätzlich geneigt, die Lebenszeit des Autoren beim Verfassen eines Buches hoch anzurechnen, stoßen mich eigentlich nur die Bücher ab, die lieblos und billig gemacht sind. Oder zumindest die Liebe und das Wertvolle nicht für mich erkennbar machen.
Bei Babel ist es anders. Es fühlt sich für mich verschwenderisch an, es geht durch mich durch, ohne dass es begeistert, gleichwohl es eine so hohe Dichte an Wissen besitzt.
Aus der Perspektive Dr. Koldeweys, der im Auftrag der orientalischen Gesellschaft und mit Rückenwind durch Kaiser Wilhelm II. Babylon ausgräbt, entfächert Cusanit ein Meer an Betrachtungen, Begebenheiten, Details, Reflexionen und historische Einordnungen, dass einem ähnlich schwindelig zu werden droht wie Dr. Koldewey selbst. Er liegt mit einer Blinddarmreizung nieder und ist Ausgangspunkt all der Anekdoten und Erzählungen, die nur durch knappe Übergänge voneinander abgegrenzt, dargelegt werden. Er wälzt ein medizinisches Lexikon zum Thema, blickt auf die Ausgrabungen, schikaniert seinen Assistenten, wühlt missmutig in der Korrespondenz. Und in einer Art inneren Monolog, der von gelegentlichen Gesprächen mit Mitarbeitern, die an sein Krankenlager treten, unterbrochen werden, rollt der Text auf den Leser zu. Unangenehm sind in dieser Flut die wenigen Absätze, langen Sätze, Themensprünge. Genau weiß man nicht, warum ein Kapitel endet und ein neues beginnt. Die Wechsel wirken, als hätte beim Interview der Kameramann die Filmrolle oder das Akku wechseln müssen, während der Erzähler weiter berichtet. Und da der Erzählrahmen, der, wenn nicht gerade von Pessimismus, so doch von Übellaunigkeit gezeichnet ist – denn in der Hitze des Ausgrabungsorts und in Ungewissheit über ärztliche Hilfe, ist der Erzählstil konsequent – bleibt der Text pointenlos.
Hinzu kommt die seltsame Zweidimensionalität der Figuren selbst. Über Koldewey erfährt man nur, dass er sehr ungeduldig ist und Personalführung, wie man es heute anstrebt, nicht kennt. Die Herabsetzung seiner Mitarbeiter schmerzt. Diese werden dann aus dem einzigen Blickwinkel des Buches, Koldewey selbst, reduziert auf ihre Unfähigkeit. Sympathien bringt das dem Protagonisten nicht, aber dazu muss dann ein Buch auch nicht dienen. Nur hätten wohl aus meiner Sicht die mit den Ausgrabungen verbundenen Gefühle der Freude beim Fund, der Euphorie im Kontrast der langfristigen Geduld, die Erhabenheit, die der Turm zu Babel auslösen müsste, mehr Authentizität vermittelt. Ich habe eher den Eindruck gehabt, einem Grabungsbericht zu lauschen, der durchwirkt von Betrachtungen über technische Neuentwicklungen in der Fotografie oder der Architektur Berlins in der Vorkriegszeit, erschöpft vorgebracht wird. Allerdings sind diese einzelnen Momente wiederum ungemein genau und spannend, die Bedeutung des Films und der Fotographie nachgerade philosophisch. Aber ich glaube, bei Gräber Götter und Gelehrte habe mich seinerzeit mehr amüsiert.